Sonntag, 13. Dezember 2009
Getting Better?
mr. jones, 20:00h
Ich war etwas schreibfaul in letzter Zeit, deswegen folgen nun - mit einiger Verspätung - noch einige Gedanken zum Konzert von Paul McCartney.
Wie geplant, habe ich am 03.12. in Berlin das Konzert des Ex-Beatles besucht. Und wie erwartet war es wirklich großartig! McCartney braucht keine Vorband, um die Stimmung aufzuheizen, nein, er legt einfach sofort mit den Beatles-Klassikern "Magical Mystery Tour" und "Drive My Car" los und die ganze Halle ist aus dem Häuschen.
Da hat er es aber auch wirklich leicht, bei dem riesigen Fundus an Klassikern seiner Wings-, Solo- und eben vor allem Beatles-Karriere. "Macca" braucht nichts weiter zu tun, als sich auf die Bühne zu stellen und los zu rocken, was er auch im Alter von 67 Jahren immer noch äußerst überzeugend tut.
Allerdings macht er es sich leider ein wenig zu einfach. Natürlich stellt sich bei großen Teilen des Publikums allein bereits dadurch eine beinahe ehrfürchtige Stimmung ein, dass die lebende Legende McCartney bloß die Bühne betritt. Viel mehr braucht es dann gar nicht mehr, um die Leute in Ekstase zu versetzen. Aber McCartney's Konzerte könnten noch so viel besser sein, wenn er sich nicht so sehr auf diesen Legendenstatus stützen würde, wenn er auch mal den Mut zu Experimenten hätte. Doch er geht keinerlei Risiken ein und bringt bei jedem Konzert eine zu zwei Dritteln aus Beatles-Liedern bestehende Show, die kaum Raum für Improvisation lässt. Seine Band wirkt so routiniert, dass sie gelegentlich fast schon wieder Langeweile ausstrahlt. Dabei will man doch glauben, dass die Jungs ihren Spaß da oben auf der Bühne haben.
Natürlich kann man sich ein McCartney-Konzert ohne "Hey Jude" und "Yesterday" nur sehr schwer vorstellen. Aber warum lässt der Mann große Teile seiner Karriere nach den Beatles einfach so unter den Tisch fallen? Zwar spielt er seit eh und je die immer gleichen drei Songs seines Wings-Erfolgsalbums "Band On The Run" (1973) und neuerdings ist mit "Mrs. Vandebilt" noch ein vierter dazu gekommen. Doch was ist mit seinen anderen großen Soloerfolgen? Alben wie "Venus And Mars" (1975) oder "Flowers In The Dirt" (1989) hätten es verdient, auch mal wieder live zum Zuge zu kommen. Ja sogar das in Deutschland damals zum Megahit mutierte "Hope Of Deliverance" (1993) enthält er uns vor. Der Titelsong des hervorragenden Albums "Flaming Pie" (1997) sowie das als Tribut an John Lennon geschriebene "Here Today" (1982) bilden die Ausnahmen. Ach ja, "My Love" und "Live And Let Die" sind natürlich auch immer wieder mit dabei. Letzteres stellt mit dem spektakulären Feuerwerk, das synchron zur Musik abgebrannt wird, wenigstens einen wirklichen Höhepunkt jeder Show dar. Davon abgesehen stammen die Solo-Stücke auf seiner aktuellen Tour von seinem bislang letzten regulären Soloalbum "Memory Almost Full" (2007) und dem Expiremantal-Album "Electric Arguments" (2008), das McCartney gemeinsam mit dem Produzenten Youth unter dem Pseudonym "The Fireman" aufgenommen hat. Dass er diese neuen, unbekannteren Titel spielt, ist einerseits positiv zu werten. Leider handelt es sich aber bei allen Konzerten um die gleichen Songs. Durchgewechselt wird nicht! Immerhin bringt er auch den brandneuen Titel "(I Want To) Come Home" (siehe Beitrag vom 21.11.).
All diese Stücke, ob Beatles- oder Solo-Songs, werden bei jeder Show immer wieder auf die gleiche Weise dargeboten. Schaut man sich einmal die aktuelle, im Juli 2009 aufgezeichnete Konzert-DVD "Good Evening New York City" an, so kennt man im Großen und Ganzen schon den Aufbau der aktuellen McCartney-Shows. Ein paar Stücke wurden zwar im Vergleich zur DVD weggelassen und neben dem erwähnten neuen Song kam der bisher nie live gespielte Beatles-Klassiker "Ob-La-Di, Ob-La-Da" hinzu, doch sogar die Anekdoten, die McCartney oft zwischen den Songs erzählt, sind zum Teil die gleichen wie bei der New Yorker Konzertaufzeichnung. Gähn.
Die Beatles haben ja bekanntlich ab 1966 keine Konzerte mehr gegeben, weil sich die aufwändigen Sound-Produktionen, die die vier Jungs im Studio zusammenbastelten, live auf der Bühne mithilfe der damaligen Technik nicht wiedergeben ließen. Dass McCartney nun Songs wie "Helter Skelter" oder "A Day In The Life" live präsentiert, ist also zwar einerseits äußerst willkommen. Andererseits macht er es sich auch dabei viel zu leicht. Wie gern hätte man einmal etwa "Got To Get You Into My Life" mit seinem großartigen Bläser-Part live gehört! Stattdessen kommen bei McCartney die Bläser aus dem Synthesizer - ebenso wie die Streicher bei "Let It Be". Schade!
Paul, ich liebe Dich wirklich und Dein Konzert hat mich sehr bewegt. Doch ich finde es schade, dass Du so viele Möglichkeiten ungenutzt lässt!! Hol Dir ein paar Musiker mehr auf die Bühne, die wirklich jedes Instrument LIVE zum Besten geben. Wirf einfach mal während eines Konzerts die Setlist über den Haufen, spiel obskure Solo-Songs aus den Achtzigern und Neunzigern, die kaum noch einer kennt! Und vor allem: Gib den Leuten nicht immer nur das, was sie hören wollen! Gib einfach mal ein Konzert, in dem sich der Anteil der Beatles-Songs auf ein Minimum von vier oder fünf Titeln beschränkt und füll den Rest mit Stücken auf, die Du noch nie oder schon lange nicht mehr live gespielt hast!
UPDATE am 17.12.09 um 17:40
Noch ein kleiner Nachtrag: Zu den schönsten Momenten des Berliner Konzerts gehörten definitiv, als McCartney sich zuerst bei "Blackbird" an der Gitarre verzupft hatte und nach dem Ende des Liedes lakonisch bemerkte, da habe er wohl eine neue Note entdeckt und später, als er sich bei "Yesterday" doch wirklich kurz versungen hatte (er hatte glaube ich einen Teil des Textes der ersten Strophe in der zweiten noch einmal wiederholt).
In Cameron Crowes wunderbarem Film "Almost Famous" heißt es, Rock'n'Roll - und großartige Musik überhaupt - zeichne sich genau durch die kleinen Fehler, das Unplanbare und Spontane aus. Einen kurzen Blick darauf, wie auch McCartneys Konzert noch grandioser hätte werden können, gaben eben diese beiden kleinen, vollkommen ungeplanten Fehler, durch die jeweils für einen kurzen Moment Spontanität und Improvisation in die sonst so durchgeplante und sterile Show kamen.
Wie geplant, habe ich am 03.12. in Berlin das Konzert des Ex-Beatles besucht. Und wie erwartet war es wirklich großartig! McCartney braucht keine Vorband, um die Stimmung aufzuheizen, nein, er legt einfach sofort mit den Beatles-Klassikern "Magical Mystery Tour" und "Drive My Car" los und die ganze Halle ist aus dem Häuschen.
Da hat er es aber auch wirklich leicht, bei dem riesigen Fundus an Klassikern seiner Wings-, Solo- und eben vor allem Beatles-Karriere. "Macca" braucht nichts weiter zu tun, als sich auf die Bühne zu stellen und los zu rocken, was er auch im Alter von 67 Jahren immer noch äußerst überzeugend tut.
Allerdings macht er es sich leider ein wenig zu einfach. Natürlich stellt sich bei großen Teilen des Publikums allein bereits dadurch eine beinahe ehrfürchtige Stimmung ein, dass die lebende Legende McCartney bloß die Bühne betritt. Viel mehr braucht es dann gar nicht mehr, um die Leute in Ekstase zu versetzen. Aber McCartney's Konzerte könnten noch so viel besser sein, wenn er sich nicht so sehr auf diesen Legendenstatus stützen würde, wenn er auch mal den Mut zu Experimenten hätte. Doch er geht keinerlei Risiken ein und bringt bei jedem Konzert eine zu zwei Dritteln aus Beatles-Liedern bestehende Show, die kaum Raum für Improvisation lässt. Seine Band wirkt so routiniert, dass sie gelegentlich fast schon wieder Langeweile ausstrahlt. Dabei will man doch glauben, dass die Jungs ihren Spaß da oben auf der Bühne haben.
Natürlich kann man sich ein McCartney-Konzert ohne "Hey Jude" und "Yesterday" nur sehr schwer vorstellen. Aber warum lässt der Mann große Teile seiner Karriere nach den Beatles einfach so unter den Tisch fallen? Zwar spielt er seit eh und je die immer gleichen drei Songs seines Wings-Erfolgsalbums "Band On The Run" (1973) und neuerdings ist mit "Mrs. Vandebilt" noch ein vierter dazu gekommen. Doch was ist mit seinen anderen großen Soloerfolgen? Alben wie "Venus And Mars" (1975) oder "Flowers In The Dirt" (1989) hätten es verdient, auch mal wieder live zum Zuge zu kommen. Ja sogar das in Deutschland damals zum Megahit mutierte "Hope Of Deliverance" (1993) enthält er uns vor. Der Titelsong des hervorragenden Albums "Flaming Pie" (1997) sowie das als Tribut an John Lennon geschriebene "Here Today" (1982) bilden die Ausnahmen. Ach ja, "My Love" und "Live And Let Die" sind natürlich auch immer wieder mit dabei. Letzteres stellt mit dem spektakulären Feuerwerk, das synchron zur Musik abgebrannt wird, wenigstens einen wirklichen Höhepunkt jeder Show dar. Davon abgesehen stammen die Solo-Stücke auf seiner aktuellen Tour von seinem bislang letzten regulären Soloalbum "Memory Almost Full" (2007) und dem Expiremantal-Album "Electric Arguments" (2008), das McCartney gemeinsam mit dem Produzenten Youth unter dem Pseudonym "The Fireman" aufgenommen hat. Dass er diese neuen, unbekannteren Titel spielt, ist einerseits positiv zu werten. Leider handelt es sich aber bei allen Konzerten um die gleichen Songs. Durchgewechselt wird nicht! Immerhin bringt er auch den brandneuen Titel "(I Want To) Come Home" (siehe Beitrag vom 21.11.).
All diese Stücke, ob Beatles- oder Solo-Songs, werden bei jeder Show immer wieder auf die gleiche Weise dargeboten. Schaut man sich einmal die aktuelle, im Juli 2009 aufgezeichnete Konzert-DVD "Good Evening New York City" an, so kennt man im Großen und Ganzen schon den Aufbau der aktuellen McCartney-Shows. Ein paar Stücke wurden zwar im Vergleich zur DVD weggelassen und neben dem erwähnten neuen Song kam der bisher nie live gespielte Beatles-Klassiker "Ob-La-Di, Ob-La-Da" hinzu, doch sogar die Anekdoten, die McCartney oft zwischen den Songs erzählt, sind zum Teil die gleichen wie bei der New Yorker Konzertaufzeichnung. Gähn.
Die Beatles haben ja bekanntlich ab 1966 keine Konzerte mehr gegeben, weil sich die aufwändigen Sound-Produktionen, die die vier Jungs im Studio zusammenbastelten, live auf der Bühne mithilfe der damaligen Technik nicht wiedergeben ließen. Dass McCartney nun Songs wie "Helter Skelter" oder "A Day In The Life" live präsentiert, ist also zwar einerseits äußerst willkommen. Andererseits macht er es sich auch dabei viel zu leicht. Wie gern hätte man einmal etwa "Got To Get You Into My Life" mit seinem großartigen Bläser-Part live gehört! Stattdessen kommen bei McCartney die Bläser aus dem Synthesizer - ebenso wie die Streicher bei "Let It Be". Schade!
Paul, ich liebe Dich wirklich und Dein Konzert hat mich sehr bewegt. Doch ich finde es schade, dass Du so viele Möglichkeiten ungenutzt lässt!! Hol Dir ein paar Musiker mehr auf die Bühne, die wirklich jedes Instrument LIVE zum Besten geben. Wirf einfach mal während eines Konzerts die Setlist über den Haufen, spiel obskure Solo-Songs aus den Achtzigern und Neunzigern, die kaum noch einer kennt! Und vor allem: Gib den Leuten nicht immer nur das, was sie hören wollen! Gib einfach mal ein Konzert, in dem sich der Anteil der Beatles-Songs auf ein Minimum von vier oder fünf Titeln beschränkt und füll den Rest mit Stücken auf, die Du noch nie oder schon lange nicht mehr live gespielt hast!
UPDATE am 17.12.09 um 17:40
Noch ein kleiner Nachtrag: Zu den schönsten Momenten des Berliner Konzerts gehörten definitiv, als McCartney sich zuerst bei "Blackbird" an der Gitarre verzupft hatte und nach dem Ende des Liedes lakonisch bemerkte, da habe er wohl eine neue Note entdeckt und später, als er sich bei "Yesterday" doch wirklich kurz versungen hatte (er hatte glaube ich einen Teil des Textes der ersten Strophe in der zweiten noch einmal wiederholt).
In Cameron Crowes wunderbarem Film "Almost Famous" heißt es, Rock'n'Roll - und großartige Musik überhaupt - zeichne sich genau durch die kleinen Fehler, das Unplanbare und Spontane aus. Einen kurzen Blick darauf, wie auch McCartneys Konzert noch grandioser hätte werden können, gaben eben diese beiden kleinen, vollkommen ungeplanten Fehler, durch die jeweils für einen kurzen Moment Spontanität und Improvisation in die sonst so durchgeplante und sterile Show kamen.
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