Sonntag, 7. Februar 2010
Gestatten: Dr. Lynch, mein Psychotherapeut
Vorgestern habe ich zum ersten Mal David Lynchs "Lost Highway" gesehen - und war enttäuscht. Zugegeben, nach nur einmaligem Anschauen habe ich die Handlung nicht mal ansatzweise durchschaut. Allerdings geht es in Lynchs Filmen meistens ja auch nicht um eine auf rationaler Ebene nachvollziehbare Geschichte, in der ganz logisch ein Steinchen aufs nächste gesetzt wird, sondern man muss sich auf die Werke des Regisseurs einlassen, indem man den eigenen inneren Logikdetektor ausschaltet und sich auf eine intuitive, emotionale, traumwandlerische Reise begibt.

Genau das habe ich versucht, jedoch mit dem Ergebnis, dass ich das Gesehene später abzuschütteln versucht habe, wie einen verwirrenden Traum, über den man nicht weiter nachdenken möchte. Genau wie Träume scheinen mir Lynchs Werke oftmals auch aufgebaut zu sein: Bilder, Symbole, Sätze, Gesichter folgen aufeinander, ohne dass sie zwingend etwas miteinander zu tun hätten, geschweige denn eben eine nachvollziehbare Geschichte zu bilden. Vielleicht war ich für eine solche Erfahrung vorgestern einfach nicht bereit, konnte mein rationales Denken nicht weit genug in den Hintergrund drängen. Einen Lynch-Film muss man annehmen können wie eine Stunde auf der Couch eines Psychotherapeuten.

Wenigstens verstehe ich nun besser, warum Lynchs letzter Film "Inland Empire" von der Kritik so zerrissen wurde. Darin wiederholt der Regisseur nämlich lediglich seine in "Lost Highway" und anderen Werken angewandten Stilmittel, ohne jedoch irgendetwas neues hinzuzufügen - außer einer noch undurchschaubareren Handlung.

Demnächst werde ich mich (endlich!) auf die Reise zum "Mullholland Drive" begeben und dann ja sehen, ob ich dieses Mal für eine solche Erfahrung bereit sein werde. Allen anderen Lynch-Interessierten kann ich die hervorragende Dokumentation "Lynch" (2007) empfehlen. Ich habe sie vor drei Jahren auf einem Filmfestival gesehen und dabei viel über den Künstler und Menschen David Lynch gelernt. Interpretationen seiner Filme oder andere tiefe Einblicke in sein Werk darf man sich davon aber nicht erwarten - diese Denkarbeit muss man schon selber vornehmen, wie ich nun wieder feststellen musste.

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Sonntag, 3. Januar 2010
Burton mal wieder mit Depp, Nolan mal wieder ohne Batman
Ein neues Kinojahr hat begonnen und eigentlich schiele ich auch schon mit einem Auge in Richtung der Golden Globes, die am 17. Januar verliehen werden und selbstverständlich auch zu den Oscars, deren Nominierungsliste am 02. Februar veröffentlicht wird, bevor dann am 07. März die Verleihung über die Bühne geht.

Doch neben der Frage welche Filme des vergangenen (und hierzulande ja teilweise noch laufenden) Kinojahres dieses Mal die begehrten Trophäen erhalten werden, lassen mir jetzt schon ein paar Streifen des gerade angebrochenen Jahres das Wasser im Mund zusammenlaufen, von denen ich zwei hier kurz vorstellen möchte.

Zunächst wäre da das neue Werk von Tim Burton, der aufgrund von Filmperlen wie "Edward mit den Scherenhänden" (1990), "Batman Returns" (1992) oder "Sweeney Todd" (2007) einer meiner Lieblingsregisseure ist. Für mich ist Burton einer der ganz großen Geschichtenerzähler der Gegenwart, der unvergleichliche, phantastische Welten und Figuren schafft.

Sein neuer Film "Alice im Wunderland" ist darüber hinaus auch deshalb schon eines der Highlights des neuen Kinojahres, weil Burton hier einmal mehr mit seinem Stammschauspieler und Seelenverwandten Johnny Depp zusammenarbeitet (zum siebten Mal, wenn ich richtig gezählt habe), der wahrscheinlich die Messlatte der nach oben hin offenen Skurrilitäts-Skala ein weiteres Mal um ein ganzes Stück hochsetzen wird. Wir dachten bisher, sein Willy Wonka oder Jack Sparrow seien exzentrisch gewesen, aber mit der Darstellung des verrückten Hutmachers wird Depp uns da wohl eines Besseren belehren.

Zudem ist die Paarung aus Tim Burton und "Alice im Wunderland" einfach fast zu schön, um wahr zu sein. Man kann sich schwerlich einen Stoff vorstellen, der besser zum Meister der düster-romantischen Märchen passen würde. Dass wir das Ganze auch noch in 3D zu sehen bekommen, steigert meine Vorfreude nur noch mehr - vor allem, da ich mir der Besuch von "Avatar" die Augen geöffnet hat hinsichtlich der Möglichkeiten, die die moderne Computeranimation und das Performance Capturing in Verbindung mit der 3D-Technik bieten. Nie zuvor wird ein Tim-Burton-Film echter und glaubwürdiger ausgesehen haben und dennoch wird dies wohl sein abgedrehtestes Werk seit langem.

Hoffentlich sind meine vielen Vorschusslorbeeren gerechtfertigt, ich freue mich jedenfalls wahnsinnig auf den Film. Ab dem 04. März können wir uns alle selbst im Kino überzeugen, hier kommt schon mal ein kleiner Vorgeschmack:


Die Überleitung zum zweiten Filmhighlight, das ich kurz vorstellen möchte, fällt nicht schwer: Es stammt von Christopher Nolan, der genau wie Burton zwei "Batman"-Filme gedreht hat. (Es gibt noch einen Regisseur, der zwei "Batman"-Filme gedreht hat, was in seinem Fall leider keine so gute Idee war, weswegen ich ihn hier zur Strafe unerwähnt lasse.)

Die Filme von Christopher Nolan zeichnen sich ja fast alle durch einen gewissen "Mindfuck-Faktor" aus. Vom alle Konventionen des zeitlich geordneten Erzählens auf den Kopf stellenden "Memento" (2000) über seine extrem... äh, extreme Wiederbelebung des „Batman“-Franchises („Batman Begins“, 2005 und „The Dark Knight“, 2008 – ein dritter Teil wird folgen) bis hin zu „The Prestige“ (2006), den man gleich mindestens dreimal sehen musste, um ihn vollständig zu durchschauen – man hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass man nach einem Nolan-Film mit so einem „What-the-fuck-wie-geil-ist-das-denn-ich-muss-den-nochmal-sehen!“-Gefühl aus dem Kino kommt. Insofern liegt also auch hier die Messlatte sehr, sehr hoch.

Der Trailer zu Nolans neuem Film „Inception“ erfüllt jedenfalls schon einmal die Erwartungen. Er ist vollkommen verwirrend, verrät so gut wie nichts über die Handlung des Films und erzeugt eine bedrohliche Atmosphäre. Leonardo DiCaprio spielt die Hauptrolle, das Ganze scheint irgendwie mit der Kraft der Gedanken zu tun zu haben, vielleicht kann man es ein wenig als eine Mischung aus „The Cell“ und „Matrix“ bezeichnen. Vielleicht aber auch nicht, denn Nolan wird uns hoffentlich auch dieses Mal wieder mit Bildern und Storywendungen überraschen, die wir so noch nicht (kommen) gesehen haben.

Hier jedenfalls der Trailer zu „Inception“ (Kinostart im Juli):

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Sonntag, 13. Dezember 2009
Getting Better?
Ich war etwas schreibfaul in letzter Zeit, deswegen folgen nun - mit einiger Verspätung - noch einige Gedanken zum Konzert von Paul McCartney.

Wie geplant, habe ich am 03.12. in Berlin das Konzert des Ex-Beatles besucht. Und wie erwartet war es wirklich großartig! McCartney braucht keine Vorband, um die Stimmung aufzuheizen, nein, er legt einfach sofort mit den Beatles-Klassikern "Magical Mystery Tour" und "Drive My Car" los und die ganze Halle ist aus dem Häuschen.

Da hat er es aber auch wirklich leicht, bei dem riesigen Fundus an Klassikern seiner Wings-, Solo- und eben vor allem Beatles-Karriere. "Macca" braucht nichts weiter zu tun, als sich auf die Bühne zu stellen und los zu rocken, was er auch im Alter von 67 Jahren immer noch äußerst überzeugend tut.

Allerdings macht er es sich leider ein wenig zu einfach. Natürlich stellt sich bei großen Teilen des Publikums allein bereits dadurch eine beinahe ehrfürchtige Stimmung ein, dass die lebende Legende McCartney bloß die Bühne betritt. Viel mehr braucht es dann gar nicht mehr, um die Leute in Ekstase zu versetzen. Aber McCartney's Konzerte könnten noch so viel besser sein, wenn er sich nicht so sehr auf diesen Legendenstatus stützen würde, wenn er auch mal den Mut zu Experimenten hätte. Doch er geht keinerlei Risiken ein und bringt bei jedem Konzert eine zu zwei Dritteln aus Beatles-Liedern bestehende Show, die kaum Raum für Improvisation lässt. Seine Band wirkt so routiniert, dass sie gelegentlich fast schon wieder Langeweile ausstrahlt. Dabei will man doch glauben, dass die Jungs ihren Spaß da oben auf der Bühne haben.

Natürlich kann man sich ein McCartney-Konzert ohne "Hey Jude" und "Yesterday" nur sehr schwer vorstellen. Aber warum lässt der Mann große Teile seiner Karriere nach den Beatles einfach so unter den Tisch fallen? Zwar spielt er seit eh und je die immer gleichen drei Songs seines Wings-Erfolgsalbums "Band On The Run" (1973) und neuerdings ist mit "Mrs. Vandebilt" noch ein vierter dazu gekommen. Doch was ist mit seinen anderen großen Soloerfolgen? Alben wie "Venus And Mars" (1975) oder "Flowers In The Dirt" (1989) hätten es verdient, auch mal wieder live zum Zuge zu kommen. Ja sogar das in Deutschland damals zum Megahit mutierte "Hope Of Deliverance" (1993) enthält er uns vor. Der Titelsong des hervorragenden Albums "Flaming Pie" (1997) sowie das als Tribut an John Lennon geschriebene "Here Today" (1982) bilden die Ausnahmen. Ach ja, "My Love" und "Live And Let Die" sind natürlich auch immer wieder mit dabei. Letzteres stellt mit dem spektakulären Feuerwerk, das synchron zur Musik abgebrannt wird, wenigstens einen wirklichen Höhepunkt jeder Show dar. Davon abgesehen stammen die Solo-Stücke auf seiner aktuellen Tour von seinem bislang letzten regulären Soloalbum "Memory Almost Full" (2007) und dem Expiremantal-Album "Electric Arguments" (2008), das McCartney gemeinsam mit dem Produzenten Youth unter dem Pseudonym "The Fireman" aufgenommen hat. Dass er diese neuen, unbekannteren Titel spielt, ist einerseits positiv zu werten. Leider handelt es sich aber bei allen Konzerten um die gleichen Songs. Durchgewechselt wird nicht! Immerhin bringt er auch den brandneuen Titel "(I Want To) Come Home" (siehe Beitrag vom 21.11.).

All diese Stücke, ob Beatles- oder Solo-Songs, werden bei jeder Show immer wieder auf die gleiche Weise dargeboten. Schaut man sich einmal die aktuelle, im Juli 2009 aufgezeichnete Konzert-DVD "Good Evening New York City" an, so kennt man im Großen und Ganzen schon den Aufbau der aktuellen McCartney-Shows. Ein paar Stücke wurden zwar im Vergleich zur DVD weggelassen und neben dem erwähnten neuen Song kam der bisher nie live gespielte Beatles-Klassiker "Ob-La-Di, Ob-La-Da" hinzu, doch sogar die Anekdoten, die McCartney oft zwischen den Songs erzählt, sind zum Teil die gleichen wie bei der New Yorker Konzertaufzeichnung. Gähn.

Die Beatles haben ja bekanntlich ab 1966 keine Konzerte mehr gegeben, weil sich die aufwändigen Sound-Produktionen, die die vier Jungs im Studio zusammenbastelten, live auf der Bühne mithilfe der damaligen Technik nicht wiedergeben ließen. Dass McCartney nun Songs wie "Helter Skelter" oder "A Day In The Life" live präsentiert, ist also zwar einerseits äußerst willkommen. Andererseits macht er es sich auch dabei viel zu leicht. Wie gern hätte man einmal etwa "Got To Get You Into My Life" mit seinem großartigen Bläser-Part live gehört! Stattdessen kommen bei McCartney die Bläser aus dem Synthesizer - ebenso wie die Streicher bei "Let It Be". Schade!

Paul, ich liebe Dich wirklich und Dein Konzert hat mich sehr bewegt. Doch ich finde es schade, dass Du so viele Möglichkeiten ungenutzt lässt!! Hol Dir ein paar Musiker mehr auf die Bühne, die wirklich jedes Instrument LIVE zum Besten geben. Wirf einfach mal während eines Konzerts die Setlist über den Haufen, spiel obskure Solo-Songs aus den Achtzigern und Neunzigern, die kaum noch einer kennt! Und vor allem: Gib den Leuten nicht immer nur das, was sie hören wollen! Gib einfach mal ein Konzert, in dem sich der Anteil der Beatles-Songs auf ein Minimum von vier oder fünf Titeln beschränkt und füll den Rest mit Stücken auf, die Du noch nie oder schon lange nicht mehr live gespielt hast!

UPDATE am 17.12.09 um 17:40

Noch ein kleiner Nachtrag: Zu den schönsten Momenten des Berliner Konzerts gehörten definitiv, als McCartney sich zuerst bei "Blackbird" an der Gitarre verzupft hatte und nach dem Ende des Liedes lakonisch bemerkte, da habe er wohl eine neue Note entdeckt und später, als er sich bei "Yesterday" doch wirklich kurz versungen hatte (er hatte glaube ich einen Teil des Textes der ersten Strophe in der zweiten noch einmal wiederholt).

In Cameron Crowes wunderbarem Film "Almost Famous" heißt es, Rock'n'Roll - und großartige Musik überhaupt - zeichne sich genau durch die kleinen Fehler, das Unplanbare und Spontane aus. Einen kurzen Blick darauf, wie auch McCartneys Konzert noch grandioser hätte werden können, gaben eben diese beiden kleinen, vollkommen ungeplanten Fehler, durch die jeweils für einen kurzen Moment Spontanität und Improvisation in die sonst so durchgeplante und sterile Show kamen.

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